Nach Angaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat jede*r zweite Beschäftigte bereits sexistische Witze, anzügliche Bemerkungen, unerwünschte Berührungen oder andere Formen sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz erlebt. Betroffen sind dabei mehrheitlich Frauen, aber auch Männer sowie trans- und intergeschlechtliche Personen gehören zu den Opfern.
Die Folgen sind gravierend: Sexuelle Belästigung kann betroffene Beschäftigte demotivieren und krank machen, das Betriebsklima vergiften und die Leistung des Unternehmens beeinträchtigen. Damit sich hier endlich etwas ändert, wollen wir ganz konkret aufzeigen, was Sie tun können.
Weil bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz häufig nicht das sexuelle Interesse am Gegenüber ausschlaggebend ist, sondern der Versuch von Machtausübung, wird heute vermehrt von „sexualisierter Belästigung“ gesprochen. Grundsätzlich unterscheidet man hier zwischen drei Formen:
Vor allem verbale und nonverbale Formen sexueller Belästigung werden oft verharmlost. Da heißt es dann, der Ton im jeweiligen Betrieb sei eben etwas rustikaler, oder es wird unterstellt, die betroffene Person habe einen Flirtversuch oder ein „Kompliment“ nicht verstanden. Dabei ist die Grenze klar: Flirten geschieht in beiderseitigem Einvernehmen, belästigendes Verhalten nicht.
Kolleg*in XY pfeift Ihnen schon mal hinterher? Der oder die Chef*in spendiert gelegentlich ungefragt eine Nackenmassage? Der oder die Abteilungsleiter*in kommentiert mit Vorliebe, wie Ihre Kleidung Ihren Körper zur Geltung bringt? Wenn Sie solche Situationen kennen, ist das zwar nichts Ungewöhnliches, es bedeutet aber noch lange nicht, dass Sie damit leben müssen. Spätestens, wenn Sie oder andere betroffene Personen durch sexuelle Belästigung gedemütigt oder bloßgestellt werden, muss gehandelt werden.
Ganz wichtig: Suchen Sie die Schuld nicht bei sich – nicht die Betroffenen sind verantwortlich, sondern die Belästigenden! Darum nehmen Sie Ihre eigenen Gefühle ernst und reagieren Sie entschieden.
Machen Sie der betreffenden Person deutlich, dass Sie sich sexuell belästigt fühlen.
Zeigt sich der Täter/die Täterin nicht einsichtig, beschweren Sie sich bei der betrieblichen Beschwerdestelle, die im Betrieb bekannt gemacht sein muss. Gibt es keine solche, muss sie eingerichtet werden:
Sie finden auch Beratung und Hilfe außerhalb Ihres Unternehmens:
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Es ist statistisch erwiesen: Von sexueller Belästigung sind mehr Frauen betroffen als Männer. Aber auch Männer werden oftmals Opfer verbaler und körperlicher Übergriffe – sei es durch Frauen oder durch andere Männer. Das vorherrschende Rollenbild macht es Männern jedoch schwer, sich als Opfer zu outen. Dazu kommt die Befürchtung, man würde ihnen nicht glauben oder ihre Empfindungen für übertrieben halten. Schließlich könnten sie sich doch viel leichter wehren.
Hinzu kommt das Klischee, dass Männer sexuelle Avancen per se gut finden. Nach dem Motto „Die macht dich an? Das hättest du wohl gern.“ So wie Frauen sehen sich auch Männer ähnlich falschen Klischees ausgesetzt. Grundsätzlich gilt aber für alle das gleiche Recht, Grenzen zu ziehen, egal ob Mann oder Frau. Letztlich brauchen alle ein Arbeitsklima, in dem sexuelle Belästigung nicht toleriert wird, ganz gleich, von welchem Geschlecht sie ausgeht und gegen wen sie sich richtet.
Bei Belästigungen durch Vorgesetzte erscheint es zunächst besonders risikoreich, sich zu wehren. Aber auch hier gibt es einfache und klare Gegenmaßnahmen, die ergriffen werden können.
Wenn es sich bei der aufdringlichen Person um den oder die eigene*n Vorgesetzte*n handelt, sollten Sie sich an dessen Vorgesetzte*n wenden. Dieser ist gesetzlich verpflichtet, Hilfe zu leisten. Sollten die Belästigungen trotzdem nicht aufhören und der Arbeitgeber nimmt keine geeigneten Maßnahmen vor, steht Ihnen sofort ein schriftlich zu erklärendes Leistungsverweigerungsrecht zu. Das bewirkt, dass Sie Anspruch auf Bezahlung haben, auch wenn Sie der Arbeit fernbleiben. Denn der Arbeitgeber hat die Pflicht, jede Beschwerde ernst zu nehmen, zu prüfen und dafür zu sorgen, dass das belästigende Verhalten aufhört. Sollte er dieser nicht nachkommen, wird er im Rahmen der arbeits- bzw. dienstrechtlichen Möglichkeiten verantwortlich gemacht.
Das Leistungsverweigerungsrecht (§14 AGG) gilt nicht nur bei Belästigungen durch Vorgesetzte, sondern auch bei anderen Beschäftigten. Das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gibt klare Regelungen zum Umgang mit und zum Schutz vor sexueller Belästigung vor und ahndet diese auch.
Sexuelle Belästigung ist ein Straftatbestand. Es gibt eine Vielzahl gesetzlicher Rechtsquellen, auf die Betroffene wie Verantwortliche im Betrieb zurückgreifen können:
Generell ist es sinnvoll, jeden einzelnen Vorfall zu dokumentieren. Sammeln Sie in einem Protokoll Antworten auf die fünf wichtigen Fragen: Was? Wann? Wo? Wer? Wie? So haben Sie bei Bedarf alle Fakten beisammen.
Nicht umsonst sind Unternehmen gemäß dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet, gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorzugehen (§ 12ff. AGG). Sie müssen Prävention betreiben, ihre Beschäftigten schulen und, wenn nötig, angemessene Maßnahmen gegen belästigende Beschäftigte ergreifen. Dazu gehören Abmahnungen, Umsetzungen, Versetzungen oder sogar die Kündigung.
1. Das Beschwerderecht
In § 13 AGG heißt es: „Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen. Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen.“ Der Arbeitgeber ist also verpflichtet, Ihrem Fall nachzugehen.
2. Das Leistungsverweigerungsrecht
Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht oder nur unwirksam nach, besitzen Sie nach § 14 AGG auch ein Leistungsverweigerungsrecht. Das bedeutet, dass Sie berechtigt sind, Ihrer Arbeit bei vollem Gehalt fernzubleiben, solange es Ihrem Schutz dient. Diese Maßnahme sollte jedoch nur als letztes Mittel erfolgen, sie muss dem oder der Vorgesetzten schriftlich und unter Angabe der Gründe mitgeteilt werden.
3. Das Recht auf Entschädigung und Schadensersatz
Sie können den Arbeitgeber haftbar und Schadensersatz bzw. eine Entschädigung geltend machen. Anders als bei der Beschwerde, die jederzeit – auch rückwirkend – abgegeben werden kann, gilt hier jedoch eine Zwei-Monats-Frist, die am Tag der Tat zu laufen beginnt.
Unseren Mitgliedern bieten wir Beratung und Rechtsbeistand. Über 50 % unserer Mitglieder sind Frauen. ver.di schützt ihre Interessen durch besondere Vertretungen auf allen Ebenen.
Aber auch auf politischer Ebene mischen wir uns ein. So sind wir Gründungsmitglied der kürzlich auf den Weg gebrachten Vertrauensstelle „Themis“ – gegen sexuelle Belästigung und Gewalt in der Film-, Fernseh- und Theaterbranche.
Darüber hinaus fordert ver.di die Weiterentwicklung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), zum Beispiel:
Was ist, wenn ich nicht ver.di-Mitglied bin?
Werden Sie es! Gewerkschaftsleistungen finanzieren sich solidarisch aus den Beiträgen der Mitglieder. Als Mitglied genießen Sie Rechtsschutz und viele weitere Vorteile – und Sie können sich durch ehrenamtliches Engagement aktiv einbringen. Zur Schulung und Qualifizierung bietet ver.di seinen Mitgliedern eigene Seminare an.