Es ist zum Verzweifeln. Endlich hast du die Schule hinter dir und eine Ausbildungsstelle gefunden und dann das: Dein*e Chef*in meckert ständig rum, die Kolleg*innen nerven und jetzt sollst du auch noch den Flur wischen, weil die Reinigungskraft nicht aufgetaucht ist.
Viele Auszubildende kennen das Gefühl, es nicht mehr auszuhalten. Jede*r vierte bricht seine Ausbildung ab, die meisten im ersten Lehrjahr. Dabei gibt es für viele Probleme gute Lösungen. Wer sich rechtzeitig beraten lässt, findet oft einen Weg, die Ausbildung gut zu Ende zu bringen, anstatt noch einmal bei null zu beginnen. Wir zeigen Dir, welche Möglichkeiten Du hast.
Gründe für Unzufriedenheit und Frust in der Ausbildung gibt es viele. Die häufigsten sind Tätigkeiten abseits des Ausbildungszweckes – wie stundenlanges Kopieren oder Botengänge – und regelmäßige Überstunden. Ist das bei Dir der Fall, verstößt das klar gegen die Ausbildungsordnung und Du solltest dagegen vorgehen.
Erste Schritte
Häufige Fehler vermeiden
Natürlich gibt es auch Situationen, in denen Auszubildende feststellen, dass die gewählte Ausbildung nicht die richtige für sie ist. Das kann passieren, wenn Aufgaben einem nicht liegen, oder wenn die Tätigkeit gesundheitliche Probleme hervorruft. Auch dann lassen sich gemeinsam Lösungswege erarbeiten.
Schlechte Stimmung kann es immer mal geben. Wird es aber zu Regel, dass Dich Dein*e Ausbilder*in anmotzt und auf dem Kieker hat, solltest Du mit ihm/ihr sprechen. Das ist sicher nicht einfach, führt aber in den meisten Fällen zu einer deutlichen Besserung. Überlege Dir vor dem Gespräch, warum Du unzufrieden bist, was Du ihm/ihr sagen und was Du erreichen willst. Argumentiere sachlich und selbstkritisch und werde nicht emotional. Gut ist es, Situationen aus der eigenen Sicht zu schildern und Sätze mit „Ich“ zu beginnen. Hier mal zwei Beispiele, wie das aussehen kann:
Wenn das alles nichts bringt und eine Kündigung im Raum steht, kannst Du bei der zuständigen Stelle (Handwerkskammer oder IHK) eine Schlichtung beantragen. In der Schlichtung erhalten Ausbilder*innen und Auszubildende die Möglichkeit, ihre Konflikte in neutraler Atmosphäre und mit Unterstützung der sach- und rechtskundigen Ausschussmitglieder zu klären. Die Schlichter*innen versuchen, Verständnis für die Sichtweise des oder der jeweils anderen zu wecken und zwischen den Parteien zu vermitteln. Am Ende machen sie einen Lösungsvorschlag, mit dem Ziel, eine für beide Seiten zufriedenstellende Einigung zu erzielen.
Der Antrag auf Schlichtung kann mündlich in der Geschäftsstelle gestellt werden und das Verfahren ist gebührenfrei. Denk daran, in der Schlichtung alle Punkte anzusprechen, die für Dich wichtig sind und die Du geklärt haben möchtest. Denn falls es später zu einer Klage vor dem Arbeitsgericht kommen sollte, können nur die Punkte verhandelt werden, die auch in der Schlichtung Thema waren.
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Berufsbildungsgesetz
Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) regelt die Berufsausbildung, die Berufsausbildungsvorbereitung, die Fortbildung und die berufliche Umschulung. Es definiert die Rechte und Pflichten von Auszubildenden und Ausbildungsbetrieben und regelt das Prüfungswesen. Für die meisten Gesundheits- und Pflegeberufe gilt es allerdings nicht, da diese eigenen Gesetzen unterliegen. Sie sind beispielsweise landesrechtlich oder in sogenannten Berufszulassungsgesetzen geregelt.
Bundeseinheitliche Ausbildungsordnungen
Auf Grundlage des Berufsbildungsgesetzes legen die Ausbildungsordnungen die sachliche und zeitliche Gliederung der Ausbildung fest. Sie setzen bundeseinheitliche Standards für die betriebliche Ausbildung. Ausbildungsordnungen werden nach einem geregelten Verfahren entwickelt und überarbeitet, an dem Bund, Länder, Arbeitgeber, Gewerkschaften und die Berufsbildungsforschung beteiligt sind.
Jugendarbeitsschutzgesetz
Das Jugendarbeitsschutzgesetz enthält strenge Vorgaben, was die erlaubte Arbeitszeit, die Mehrarbeit, den zu gewährenden Urlaub und das Verbot von Akkordarbeiten und gefährlichen Arbeiten für Jugendliche anbelangt. Die Anordnung von Mehrarbeit über 40 Wochenstunden hinaus ist nur in absoluten Notfällen (z. B. Feuerschaden oder Rohrbruch) gestattet. Verstöße gelten als Ordnungswidrigkeiten. Die absichtliche Gefährdung der Gesundheit oder Arbeitsfähigkeit von Jugendlichen ist eine Straftat.
Klar, dass Du als Azubi noch nicht alles weißt und auch hin und wieder Fehler machst. Das gehört zum Lernen dazu. Droht Dir durch eigene Fehler oder Fehler von Kolleg*innen bzw. Vorgesetzten jedoch gesundheitlicher Schaden, kommt dein Arbeitgeber ins Spiel. Denn der hat gegenüber seinen Mitarbeiter*innen – also auch Auszubildenden – eine Fürsorgepflicht zu erfüllen.
Die Fürsorgepflicht verlangt, dass der Arbeitgeber von seinen Mitarbeiter*innen Gefahren für Leib, Leben und Gesundheit fernhält – z. B. durch die Einhaltung des Jugendarbeitsschutzgesetzes und von Arbeitsschutzbestimmungen. Auch Mobbing darf der Arbeitgeber nicht dulden. Gegenüber Auszubildenden ist er darüber hinaus verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sie psychisch und physisch nicht gefährdet sowie charakterlich gefördert werden. Dies kann beispielsweise durch Workshops – etwa zum Demokratieverständnis – geschehen.
Den Auszubildenden dürfen nur Aufgaben übertragen werden, die dem Ausbildungszweck dienen und ihren körperlichen Kräften angemessen sind. Bei einer Verletzung der Fürsorgepflicht kann der oder die Auszubildende auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld klagen.
Gerade am Anfang fühlen sich viele Azubis überfordert. Sowohl im Betrieb als auch in der Berufsschule werden sie ständig mit neuen Inhalten und Aufgaben konfrontiert. Unser Rat: Ruhe bewahren und im Betrieb ehrlich darauf hinweisen, wenn Dir etwas zu schnell geht oder zu viel wird.
Bei Schwierigkeiten in der Berufsschule kannst Du mit dem Einverständnis Deines Betriebs bei der Agentur für Arbeit und anderen Stellen ausbildungsbegleitende Hilfen anfordern. Das können sein:
Auch chronische Unterforderung kann eine Qual sein: Manche lernen schneller als der Durchschnitt und verfallen in Langeweile, wenn keine besonderen Herausforderungen geboten werden. Auch hier hilft nur Kommunikation: Fordere konkret komplexere Aufgaben und mehr Feedback ein. Und rege ggf. eine Verkürzung der Ausbildung an.
Was ist, wenn ich nicht ver.di-Mitglied bin?
Werde es! Unsere Dienstleistungen finanzieren sich solidarisch aus den Beiträgen der Mitglieder. Deshalb ist es nicht möglich, ohne Mitgliedschaft Leistungen in Anspruch zu nehmen. Als Mitglied genießt Du über den Rechtsschutz hinaus viele weitere Vorteile – und hast die Möglichkeit, Dich durch ehrenamtliches Engagement aktiv einzubringen. Außerdem bietet ver.di zur Schulung und Qualifizierung eigene Seminare an, die allen Mitgliedern offenstehen. Die Mitgliedschaft kostet nur ein Prozent des monatlichen Bruttoeinkommens.