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IHR RECHT AUF SICHERHEIT: WAS TUN, WENN DIE ARBEIT ZUR GEFAHR WIRD?

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ARBEITSSCHUTZ WÄHREND DER CORONA-PANDEMIE

Es gibt Berufe, von denen ist bekannt, dass sie gefährlich sein können – etwa bei der Feuerwehr, der Polizei oder auch auf dem Bau. Aber die meisten Tätigkeiten gelten in der Regel als ungefährlich. Und das ist auch gut so, sonst würde vielerorts ein noch größerer Fachkräftemangel herrschen als ohnehin schon. Denn viele Stellen können ja schon jetzt nicht besetzt werden, weil die Bezahlung oder die Arbeitszeiten nicht stimmen. Doch seit März 2020 ist alles anders. In der Corona-Pandemie kann schon die Nähe eines Kollegen oder einer Kundin zur Gefahr für die eigene Gesundheit – und sogar das Leben – werden. Dabei ist grade diese Nähe und der direkte Kontakt wesentlich für die Arbeit in vielen Bereichen, ob im öffentlichen Personennahverkehr, im Reisebüro, im Frisörsalon, in der Kita, der Schule oder im gesamten Gesundheitsbereich, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die drohende Ansteckungsgefahr mit Corona zeigt uns, wie wichtig Arbeits- und Gesundheitsschutz ist. Plötzlich tauchen Sicherheitsfragen auf, die sich vorher nicht gestellt haben – insbesondere für alle, die nicht die Möglichkeit haben, mobil bzw. im Homeoffice zu arbeiten.

Laut einer Langzeitbefragung der Hans-Böckler-Stiftung sorgten sich im Januar 2021 35 Prozent der Beschäftigten vor einer Corona-Infektion im Berufsumfeld. In den Bereichen Erziehung und Soziales geben sogar 57 Prozent der Beschäftigten an, sich vor einer Ansteckung zu fürchten. Das ist nicht verwunderlich, denn der teils sehr enge, körperliche Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen, erhöht die Ansteckungsgefahr.

In der Statistik folgen die medizinischen Gesundheitsberufe (52 Prozent), die Verkaufsberufe (47 Prozent) und die nichtmedizinischen Gesundheitsberufe (46 Prozent), zu denen auch Altenpfleger*innen gehören. Und auch im öffentlichen Nahverkehr, bei Paketdiensten, in der Produktion oder als Friseur*in sind die Ängste – und die Unsicherheit darüber, was zu tun ist – groß.

Was muss der Betrieb leisten?

Ein entscheidender Faktor für den Arbeitsschutz ist, wie weitreichend die Schutzvorgaben in den jeweiligen Branchen sind und wie konsequent sie in den Betrieben umgesetzt werden. Werden die Vorgaben vom Arbeitgeber nicht ernstgenommen oder unkorrekt ausgeführt, führt das bei Arbeitnehmer*innen zu Frust und psychischen Belastungen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Arbeitsschutzaufsicht in Deutschland personell schwach aufgestellt ist: Zwei Drittel der Arbeitsschutzbehörden, die Corona-Maßnahmen kontrollieren und durchsetzen sollen, klagen über Personalmangel.

Wie lassen sich Jobverpflichtungen und persönliche Sicherheit in Einklang bringen? Was muss mein Arbeitgeber tun, damit ich sicher arbeiten kann? Welche Rechte habe ich, wenn ich mich unsicher fühle? Das sind die Fragen, die die Menschen bei ihrer Arbeit auch ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie umtreiben.

WO BEGINNT DER GESETZLICHE ARBEITSSCHUTZ, WO ENDET ER?

Seit 1996 gibt es das heutige Arbeitsschutzgesetz, das für nahezu alle Tätigkeitsbereiche und Beschäftigten in Deutschland gilt. Es verpflichtet Ihren Arbeitgeber dazu, Gefährdungen in ihrem Betrieb zu beurteilen, Gegenmaßnahmen zu ergreifen und in einer so genannten Gefährdungsbeurteilung zu dokumentieren. Das Spektrum ist dabei so breit wie die Branchen vielfältig sind: Es kann um den Umgang mit Chemikalien gehen, um Lärm und Stress, um das Heben schwerer Lasten oder um erhöhte Unfallrisiken. Aktuell, in der Pandemie, konkretisiert die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel die Anforderungen an den Arbeitsschutz.

Wie läuft die Gefährdungsbeurteilung ab?

Bei der Gefährdungsbeurteilung in Betrieben wird nach dem TOP-Prinzip erfahren: Zuerst müssen technische Maßnahmen (T) wie z. B. die Neuordnung des Mobiliars umgesetzt werden. Ist dies baulich nicht möglich, müssen organisatorische Maßnahmen (O) wie z. B. Kontaktreduzierung durch mobile Arbeit bzw. Homeoffice erfolgen. Erst, wenn dies aus nachvollziehbaren Gründen auch nicht möglich ist, sind personenbezogene Maßnahmen (P) vorzunehmen, wie z. B. das Tragen von FFP2-Masken.

Ihr Arbeitgeber sollte dabei idealerweise von Betriebsärzten bzw. Fachkräften für Arbeitssicherheit bei der Umsetzung der Schutzstandards beraten werden und das Wissen an Sie weitergeben. Unternehmen, die ihre Verantwortung ernst nehmen, bieten ihren Beschäftigten zusätzlich freiwillige, ggf. telefonische, arbeitsmedizinische Beratung an.

Übrigens: Dass der Arbeitgeber Sie schützen muss, befreit ihn nicht davon, Ihre Selbstbestimmungs- und Freiheitsrechte zu achten. Videoüberwachung von Abstandsregeln verträgt sich damit beispielsweise nicht.

Besonders wichtig: Sozialer Arbeitsschutz

Besonders wichtig: Sozialer Arbeitsschutz

Der soziale Arbeitsschutz definiert die Rechte von besonders schutzbedürftigen Arbeitnehmer*innen: Jugendlichen, werdenden und stillenden Müttern, Schwerbehinderten und Risikopatienten. Sie sind vor den spezifischen Gefahren ihres Arbeitsplatzes mit Rücksicht auf ihre jeweilige körperliche und geistige Konstitution besonders zu schützen. Rechtlich verankert ist der soziale Arbeitsschutz etwa im Mutterschutzgesetz, im Jugendarbeitsschutzgesetz oder auch, für schwerbehinderte Menschen, im Sozialgesetzbuch IX bzw. im Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen mit Regelungen zu Rehabilitation und Teilhabe. Auf diese Gesetze können Sie sich als Betroffene auch in Corona-Zeiten immer berufen.

GRAVIERENDE FOLGEN BEI MISSACHTUNG DES ARBEITSSCHUTZES

Dass eine Pandemie ein Ausnahmezustand und eine noch nie dagewesene Situation für Betriebe sowie Arbeitnehmer*innen ist, lässt sich nicht bestreiten. Dennoch ist es wichtig, dass Ihr Arbeitgeber schnell reagiert und Lösungen findet. Das erweist sich in der aktuellen Situation oft als schwierig. Und so beginnt ein Teufelskreis, zu sehen etwa bei der Arbeit in der Pflege. Personalmangel, fehlende Schutzausrüstungen, nicht eingehaltene Erholungspausen – die Liste der Missstände in Kliniken und Pflegeeinrichtungen ist lang. Führt die Sorge vor Ansteckung dazu, dass sich Kolleg*innen krankmelden, spitzt sich die Lage weiter zu.

Und die Sorge ist nicht unbegründet: Zwischenzeitlich erkrankten mehr als 1.000 Gesundheitsmitarbeiter*innen in Deutschland an SARS-CoV-2. Allein im Januar 2021 kamen fast 33.000 neue Fälle hinzu. Das geht aus den Lageberichten des Robert-Koch-Instituts hervor.

Nicht unterschätzt werden dürfen aber auch die psychischen Belastungen, die sich aus dieser Extremsituation ergeben – und die manchen zweifeln lassen, ob er oder sie der Arbeit noch gewachsen ist. Abhilfe schafft hier eine strukturierte psychosoziale Notfallversorgung. Sollten Sie in dieser Gedankenspirale gefangen sein, sprechen Sie mit Ihrem Betriebsrat und prüfen Sie, ob ein solches Angebot für Ihren Betrieb vorliegt.

MISSSTÄNDE BEIM ARBEITSSCHUTZ? DAS KÖNNEN SIE JETZT TUN

Erste Schritte

  • Versuchen Sie, sich mit den vorhandenen Maßnahmen so gut wie möglich zu schützen. Notieren Sie zudem alles, was Ihnen in Bezug auf Ihre Sicherheit Angst macht.
  • Sprechen Sie mit Ihrem Betriebsrat über die Maßnahmen zu Sicherheit und Gesundheitsschutz. Der Betriebsrat hat ein Initiativrecht und ist verpflichtet, dies zu nutzen, falls der Arbeitgeber untätig bleibt.
  • Gibt es keinen Betriebsrat, nutzen Sie Ihr Anhörungs- und Beschwerderecht und wenden Sie sich dafür auch gerne an Ihre Gewerkschaft ver.di, deren Expert*innen wissen, wie ggf. das Gewerbeaufsichtsamt oder die Arbeitsschutzbehörden der Bundesländer einzubeziehen sind.

Die rechtliche Situation

Wer ist für Ihre Sicherheit verantwortlich?

Der Arbeitgeber hat eine Fürsorgepflicht. Das bedeutet, dass er alles dafür tun muss, dass Sie gefahrlos arbeiten können. Er trägt die Verantwortung für den Arbeitsschutz und damit für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Wie das aussehen kann, ist natürlich ganz unterschiedlich: Wie kann das Risiko bei der Regalbefüllung in engen Supermärkten gesenkt werden? Wie verändert sich die Taktung von Pausen, wenn bei der Arbeit eine Maske getragen werden muss? Welche Rolle spielen künftig Tests im Infektionsschutz? Das sind alles Fragen, die Betrieb für Betrieb unter die Lupe genommen und beantwortet werden müssen. Das sollte zusammen mit Fachkräften für Arbeitssicherheit und dem Betriebsrat erfolgen, die Umsetzung der Maßnahmen sollte von einem dafür zu benennenden Verantwortlichen überwacht werden. In der Regel ist es sinnvoll, Maßnahmenkonzepte von vornherein mit dem Betriebsrat zu erarbeiten und in einer Betriebsvereinbarung festzuhalten. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro.

Wichtige Gesetze

Arbeits­schutzgesetz (ArbSchG)

Das Gesetz regelt die Vermeidung bzw. Vermeidung von Gefahren durch den Arbeitgeber. Seit Januar 2021 gilt zudem die SARS-CoV-2-Arbeits­schutz­ver­ordnung. Sie ordnet – befristet bis zum 15. März 2021 – verschiedene Maßnahmen an, durch die das Risiko einer Infektion mit dem Coronavirus bei der Arbeit minimiert werden soll.

Arbeits­sicherheits­gesetz (ASiG)

Ihr Arbeitgeber unterliegt Pflichten zur Bestellung von Betriebsärzten, Sicherheits­ingenieuren und anderen Fach­kräften für Arbeits­sicherheit, definiert deren Aufgaben und fordert die betriebliche Zusammenarbeit beim Arbeitsschutz und bei der Unfall­verhütung. Das ASiG soll eine fach­kundige Beratung der Arbeit­geber sicher­stellen und ist eine Art „Controlling-Gesetz“ zum Arbeitsschutz­gesetz.

Betriebs­verfassungs­gesetz (BetrVG)

Daraus ergibt sich in Betrieben mit Betriebsräten eine Aufsichts- und Mitbestimmungs­pflicht der Mitarbeiter­vertretungen. Wie in konkreten Fällen Gefähr­dungs­beur­tei­lungen, Prä­ven­tions­maßnahmen, Wirksamkeits­kontrollen und die Dokumentations­pflicht umzusetzen sind, sollte in Betriebs­vereinbarungen geregelt werden.

Was ver.di für Sie tun kann

ver.di unterstützt ihre Mitglieder mit umfassender fachlicher Beratung und Rechtsbeistand in Auseinandersetzungen rund um die Arbeit. Wir sind die Expert*innen für die Gestaltung guter und sicherer Arbeit und schaffen mit unseren Mitgliedern tarifliche und betriebliche Rahmenbedingungen dafür.

Neben der Beratung haben wir auch das Ziel, die Arbeit der betrieblichen Interessenvertretungen zu erleichtern. Denn die sind ganz besonders gefragt, wenn es jetzt darum geht, die Schutzmaßnahmen in den Betrieben und Einrichtungen zu verankern und die derzeitige Situation zu nutzen, um nachhaltige Prozesse und Strukturen zu etablieren: Sie haben bei vielen aktuellen Themen ein Mitbestimmungsrecht. Aber wie arbeitet ein Gremium in Pandemie-Zeiten, wenn persönliche Treffen nur schwer oder gar nicht möglich sind? Dafür haben wir einen Praxis-Leitfaden erstellt, den Sie hier als PDF herunterladen können:

Was ist, wenn ich nicht ver.di-Mitglied bin?

Werden Sie es! Gewerkschaftsleistungen finanzieren sich solidarisch aus den Beiträgen der Mitglieder. Deshalb ist es nicht möglich, ohne Mitgliedschaft Leistungen in Anspruch zu nehmen. Als Mitglied genießen Sie über den Rechtsschutz hinaus viele weitere Vorteile – und haben die Möglichkeit, sich durch ehrenamtliches Engagement aktiv einzubringen. Zur Schulung und Qualifizierung bietet ver.di eigene Seminare an, die allen Mitgliedern offenstehen.

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